Auf und Ab in der heiligen Stadt

04März2016

Bei 14,2 Kilometern blieb heute der elektronische Entfernungsmesser stehen. Wir hatten unser Ziel, die Kirche der Nationen am Fuß des Ölbergs erreicht. Der Tag hatte mit den üblichen 216 Stufen begonnen. Hinzu kamen nochmal 100 oder mehr, weil wir auf den Zionsberg kletterten.

Punkt zehn betreten wir die Dormition Abtei. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. hat diese Kirche mitfinanziert. Während seiner Regentschaft hat er ja nicht viel zustande gebracht, aber hier hatte er ausnahmsweise eine gute Idee. Wir sind die ersten Besucher und werden freundlicherweise mit Orgelmusik empfangen. Draußen haben wir uns schon an diversen Pilgergruppen vorbeigeschoben; hier im Kirchenraum ist die Stimmung dagegen sehr ruhig. In der Krypta entzünden wir Kerzen an der Stelle, an der Maria gestorben ist (oder sein soll). Der eine oder andere Montessori-Reisende mag durch den flotten Aufstieg müde sein, aber es sind doch wohl eher die Wirkung des Raums und die Orgelmusik, die dazu führen, dass sich die Gruppe fast wie abgesprochen in einem Kreis um die Marienstatue einfindet und minutenlang gemeinsam betet oder auch meditiert.

Im Kirchenshop treffen wir später auf einen deutschen Pater, der sich sehr über unsere Anwesenheit freut und direkt Reklame für Volunteer-Stellen für Abiturientinnen und Abiturienten macht. Sicher nicht die schlechteste Idee für den Fall, dass man das Heilige Land mal länger als 12 Tage erleben will.

 

Einmal schräg um die Ecke und wir stehen im Abendmahlssaal. Dieser Raum beeindruckt uns wenig – zumal jeder Reiseführer darauf hinweist, dass der Raum erwiesenermaßen erst 1000 Jahre nach Christi Geburt entstanden sein kann. Noch eine Ecke weiter und man hört schon laute Gesänge und Klopfgeräusche. Am Eingang steht „men“ und „women“, weshalb so manch ein Tourist hier eine Toilette vermutet hat. Dabei handelt es sich aber um den Zugang des Grabs von König David. Er möchte nur geschlechtergetrennt angebetet werden – was auch geschieht. Auf der „Männerseite“ betet eine Handvoll orthodoxer Juden was das Zeug hält - mit vollem Körpereinsatz und seltsamen Gesängen.

Wir nehmen den Hinterausgang, finden den Friedhof mit dem Schild „To Oskar Schindler‘s Grave“ und dann auch schnell das Grab des deutschen Unternehmers, der über 1200 Juden vor dem Holocaust gerettet hat. Er war uns ja bereits in Yad Vashem begenet, als Beispiel für einen „Gerechten unter den Völkern“. Emma liefert in ihrem Kurzreferat noch ergänzende Infos, bevor es zurück geht – und zwar Richtung Jaffa Gate.

Was macht denn das Verhandlungsgeschick unserer kleinen Delegation? Carlotta konnte den Preis einer Geldbörse um 50% senken – Kaya hatte gestern schon den Vogel abgeschossen, denn als sie den Laden ordnungsgemäß verließ, hatte sie nicht nur die Ware, sondern auch 100 Schekel (25 Euro) mehr als vorher.

Das Lions Gate Stadttor erreichen wir nach einem Marsch mitten durch den arabischen Basar. Hier verlassen wir die Altstadt und bewegen uns jetzt Richtung Ölberg. Der soll aber ziemlich steil sein. Hier unten in der Krypta der Marienkirche, wo man das Grab Marias aufbewahrt, merkt man noch nichts davon. Auch der Getsemane Garten mit seinen 1000 oder 2000 Jahre alten Olivenbäumen ist nicht gerade anstrengend. Aber jetzt kommt’s: 24% Steigung – das ist ja kurz vor Senkrechte… Das Feld zieht sich in die Länge, aber nach wenigen krassen Minuten ist die Kapelle Dominus Flevit erreicht. Alle, die am Zustandekommen dieses Blogs beteiligt sind, müssen natürlich in diese Kapelle, hat man doch von hier aus den berühmten Blick aus dem Kirchenfenster, das auch das Titelbild zum Blog liefert.

 

Kleine Motivationsprobleme für den Rest der Strecke werden lässig mit einem „isnichmehrweit“ weg gewischt – und tatsächlich: von hier aus kann man das Ende der Straße schon sehen --- da ganz oben. Unsere fünf sportlichen Jungs sprinten die Strecke, und auch der Rest hat den Gipfel bald erreicht. nach Atem ringend macht sich die nachvollziehbare Erkenntnis breit: Jesus muss eine gute Kondition gehabt haben. Er war ja öfter hier oben, nicht nur als er die Vision hatte, in der Jerusalem vor seinen Augen verbrannt wurde und unterging und die ihn zum Weinen brachte („dominus flevit“). Auch seine Jünger durften nicht immer in der Getsemani Grotte auf ihn warten; sie mussten mit hoch. Hier oben hat Jesus ihnen das Vaterunser beigebracht – daher gibt es hier die Paternosterkirche mit dem Text in fast 200 Sprachen – oder sind es noch mehr?

Ob Jesus ein Kamel benutzt hat, um hier hochzukommen ist nicht überliefert. Jedenfalls treffen wir oben eins. Kojak the Camel wartet samt diverser Besitzer und Schaulustiger auf Kundschaft. Wenn es um Tiere geht, ist der Montessori-Schüler sensibel. Eine Reihe Vegetarier sind ja heute auch dabei, Katzenliebhaber hatten sich auch schon bei Dominus Flevit mit den dort lebenden Exemplaren angefreundet. Bei Kojak, dem Reitkamel kommt trotz intensiver Bemühungen aber keine Lust auf, mal eine Runde auf ihm zu drehen. Das Tier sieht verwahrlost aus, scheint an den Knien zu bluten, riecht nicht gut und macht seltsame Geräusche. Das führt dazu, dass nur Luci und Mira einen Ritt wagen. Also: heute kein Geschäft für die Familie, die dieses „Kamelreitbusiness“ hier seit Jahen betreibt.

Nach einem Besuch in der Paternosterkirche tritt die Gruppe gegen 16.30 Uhr bei immer noch prächtigem Frühlingswetter den Heimweg an. Fast alle biegen am Fuß des Ölbergs nochmal ab und gehen in die Altstadt, um das Treiben rund um den Beginn des Schabat am Freitag abend zu beobachten.

Später am Abend stellt sich heraus, dass es ganz in der Nähe der Klagemauer einen Polizei-Großeinsatz gab, der durch einen Streit zwischen einem Orthodoxen Juden und einem Araber ausgelöst wurde – so die Jerusalem Post. Bei solchen Ereignissen reagiert die Polizei hier immer recht nervös. daher der Aufwand. Niemand wurde ernsthaft verletzt – und unsere Montessori-Gruppe bekam davon erst später über die Online-Agenturmeldung etwas mit.

In der Hotel-Lobby war dann bis 22 Uhr noch Füße hochlegen und Nachhausetelefonieren angesagt.