Männer, Frauen, Apfelstrudel

05März2016

Fast schon ein Ruhetag, dieser Samstag. Na klar, sagt sich der regelmäßige Leser dieses Blogs: wie letzte Woche: Schabat. Der Schabat war aber gar nicht schuld, dass aus den drei im Programm ausgewiesenen Highlights nur eineinhalb stattfanden. Dabei ist das Highlight „länger schlafen“ noch gar nicht mitgerechnet. Das gab es nämlich gleich zu Beginn. Spätes Frühstück und verzögerter Abmarsch; letzterer ist dem trägen WLan des Hotels zuzuschreiben, wollte das Ding doch die Fotos nur pixelweise in den gestrigen Blogbeitrag laden.

Nachdem Carlotta uns die Stadtgeschichte Jerusalems noch einmal in gedrängter Form präsentiert hat (erobern … erobern … erobern…) ziehen wir auf inzwischen ausgetretenen Pfaden rauf bis zum Jaffa Gate. Wir marschieren jetzt immer wie selbstverständlich quer über den Friedhof. Wo die Stufen fehlen, da nehmen wir die Gräber, das spart 5 Minuten und ist einfach cooler. Wir erreichen das Jaffa Gate knapp vor einer Dudelsack-Kapelle(!) und einem Pulk schwarzegkleideter religiöser Herren. Was immer hier stattfindet, die Freude ist groß. Schwarze Limousinen, Selfies mit Würdenträgern und Scharen von Schaulustigen, die von einem Polizei-Großaufgebot bewacht werden. Dazu spielt die Pipe Band lustige Melodien.

Menschenmassen sollte man zurzeit besser meiden, weshalb wir uns auf die Stadtmauer begeben, von der man das Geschehen aus sicherer Entfernung beobachten kann. Bald wird das Ganze aber langweilig, sodass wir unsere Stadtmauerwanderung planmäßig und fast pünktlich beginnen können. Auf dem Weg zum Lions Gate erhalten wir von hier oben ein paar intime Einsichten in das Privatleben der christlichen und arabischen Bewohner. Wir passieren stark gesicherte Gebäude („Ist das der Knast?“ – „Nee, da weht doch die Vatikan-Fahne drauf.“) und Schulhöfe, deren überwiegend männliche Belegschaft bei unserem Erscheinen sofort das Balzritual beginnt.

Überhaupt scheinen die Männer des Mittleren Ostens mit unserer Reisegruppe ein Problem zu haben. Das liegt nicht unbedingt an den beiden überaus attraktiven Reiseverantwortlichen. Laufen wir an einer befahrenen Straße unserem Ziel entgegen – und das tun wir oft, sehr oft – erzeugen wir regelmäßig Hupkonzerte. Wagenfenster werden heruntergekurbelt und die Subwoofer auf maximum gestellt. Dass es noch nicht zu Unfällen gekommen ist, grenzt an ein Wunder. Auch als Fußgängerin muss man manch merkwürdige Konversation führen: „Where are you from?“ – „Germany.“ – „Welcome. Do you need a husband?“ – „I could need one, but I don’t pay more than 30 Shekels.“ Arg erwischt hat es die vier 10 bis 12jährigen Jungs, die uns gestern beim Kamelreiten beobachtet haben, Sie hatten wohl noch nie so viele attraktive Damen auf einmal gesehen – verständlich, denn 15 ist ja schon eine stattliche Zahl. Sie hatten sich vermutlich sofort unsterblich verliebt, als wir auf dem Ölberg auftauchten – so könnte man wohlwollend ihre Gesten und ihre ausgelassene Stimmung interpretieren. Kojak, dem Kamel, gefiel das überhaupt nicht. Vielleicht war Eifersucht im Spiel. Vermutlich hatte das Tier auch besser verstanden, was die Jungs gesagt hatten. Jedenfalls entschloss sich Kojak mit einer schnellen Kopfbewegung , das Mauersims frei zu räumen, auf dem die Jungs Platz genommen hatten. Liebe Leserin, lieber Leser -- du glaubst nicht, was für eine Körperkraft so ein Kamel entfalten kann, wenn man es auf diese Weise herausfordert. Die Jungs fanden sich allesamt am Boden wieder, sehr zur Freude der gesamten BMMG Delegation. Obwohl man als junge blonde Frau im arabischen Basar zweifellos Vorteile bei der Preisgestaltung geltend machen kann, und die Ölberg Episode eine eher lustige Begebenheit war, sind die Erfahrungen insgesamt in diesem Jahr eher negativ.

Der Weg über die Stadtmauer endet auf halber Strecke, weil jemand kurz nach dem Damascus Gate ein Gitter gesetzt hat. Nach kurzem Marsch durch düstere Tunnel erreichen wir doch noch unser Ziel. Unser nächstes Augenmerk gilt dem Österreichischen Hospiz an der Kreuzung Lions Gate St. und Via Dolorosa. Hierhin hat uns ein Sponsor aus dem heimischen Krefeld Oppum eingeladen. Es gibt Strudel und Verlängerten, also was mit Apfel und einem Milchkaffee. Die schöne Gartenterrasse gefällt den meisten so gut, dass sie die nächsten drei Stunden gar nicht mehr weg wollen.

Pater Gregor hat uns versetzt – oder vergessen – oder beides. Den Kreuzweg beten wir daher allein, nur teilweise und stehen deshalb um 17 Uhr an der Grabeskirche. Zuvor konnte der Chor der Israelfahrer 2016 in der St Anna Kirche „Ein Licht in Dir geborgen“ zum Besten geben und den 8 sekündigen Nachhall genießen.

In der Grabeskirche sind wir nicht allein. Tausende Pilger, Touristen, Geistliche mit seltsamen Kopfbedeckungen und auch ein paar Sicherheitskräfte bevölkern den Innenraum. Obwohl dadurch die Andacht völlig verloren geht, strahlt dieser Ort noch etwas sehr Besonderes aus. Im ersten Stock ist Golgatha. Man kann die Felsen sehen, in die Jesu Kreuz eingeschlagen war. Gerade als die Warteschlangen weniger werden, beginnen die griechisch-orthodoxen Priester ein längeres Abendgebet, so dass wir nicht ganz nahe an die Stelle gehen können.

Heute haben wir gelernt, dass deutsche Touristinnen von arabischen Männern nichts zu befürchten haben, selbst wenn sie weniger als eine Unterarmlänge Abstand haben. Das gilt übrigens auch für Jungs.