Weich wie ein Kinderpopo

06März2016

Der Titel des heutigen Blogeintrags lautete ursprünglich mal anders, aber aus Gründen der Zensur musste das Sprachniveau leicht nach oben angepasst werden. Der Titel bezieht sich im Grunde auf das Foto, das heute Nachmittag so gegen halb fünf in Baikini Beach geschossen wurde – also schon fast am Ende des heutigen Tages, der so früh wie kaum ein anderer begann.

Schon um sieben nach acht fährt der blaue Bus heute von unserer Residenz am Ölberg ab, hinab zum Toten Meer. Die permanent abschüssige Zufahrtstraße verursacht bei manchen Businsassen einen leichten Druck auf den Ohren. Kein Wunder, denn bis zum Ufer des Toten Meers, das eigentlich ein See ist, verlieren wir in einer halben Stunde Fahrt etwa 1100 Höhenmeter. Bei 420m unter dem NN Meeresspiegel biegen wir in die Uferstraße ein. Tiefer geht es hier nicht mehr. Wir sind am tiefsten begeh-/befahrbaren Punkt der Erdoberfläche angelangt.

Die grandiose Wüstenkulisse, in Kombination mit dem tiefblauen Wasser und dem (wie fast immer) azurblauen Himmel, lässt sogar einzelne Passagiere ihren Schlaf unterbrechen. Schon stehen wir vor dem Eingang von Qumran, dem berühmten Ort, an dem die Essener ihre Schriftrollen vergraben hatten, bevor ein Hirtenjunge in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts eine dieser Rollen fand. Unserem Qumran Experten Julius war natürlich sofort aufgefallen, dass die Essener nicht aus dem Ruhrgebiet angereist waren. Der Name spricht sich EssEHner aus. Die Ausgrabungen sind eher etwas für Archäologen, aber der Film im Infocenter macht die verfallene Stätte wieder lebendig. Auch die Reisekatalog-Kulisse findet einigen Anklang bei den Monte-Kids. Die Kombination aus Hochgebirgsvegetation, Felsen, Meerwasser und Salzkruste am Ufer ist wirklich hübsch anzusehen und diente als Backdrop für etwa 2453 Fotos.

„Hamke Behrendt Bootcamp“ murmelt ein Teilnehmer, der hier nicht genannt werden möchte. Wir sind schon weiter gefahren und stehen vor dem Berg, auf dem 100m über uns die Festung Masada liegt. Keine Angst, liebe Leserinnen und Leser, und speziell auch: liebe Eltern. Wir muten Ihren Kindern hier nichts Unmenschliches zu. Israelische Pfadfinder und angehende Soldaten gehen selbstverständlich den „Snake Path“, den Fußweg zum Gipfel – selbst bei knapp 30 Grad. Die Reiseleitung denkt da pragmatisch - und auch an sich selbst. Wir nehmen die klimatisierte Seilbahn sind in 3 Minuten da, haben aber auch noch Zeit, die berauschende Aussicht auf die Wüste und aufs Tote Meer zu genießen.

Ganz entspannt verbringen wir eine gute halbe Stunde in den Trümmern einer großen Schlacht, die hier stattgefunden hat. Wir finden die Treppen zu Herodes‘ Festung (Treppen! Haben wir keine Angst mehr vor.) und wenig später das Restaurantgebäude. Das McDonalds, das unsere letzte Reisegruppe mit teuren Burgern, aber freiem WLan versorgt hat, ist verschwunden. Mist. Schon wieder Falafel? Oder bis heute Abend warten? Die meisten entscheiden sich für Letzteres.

Inzwischen ist es Mittag – und schon wieder naht ein Highlight, dem einige Damen mit gemischten Gefühlen entgegensehen. Muss man da wieder laufen? Ist das weit? Gibt’s da Wlan? Der Naturpark En Gedi (oder Ein Gedi) ist berühmt für seine Quellen, Flüsse und Wasserfälle. Mitten in der Wüste gibt es hier Bäume, Büsche, einen kleinen Wald und einen enormen Artenreichtum an Tieren. Die haben aber gerade keine Lust, sich den Touristen zu zeigen. Nicht dass es zu heiß wäre – 30 Grad halten sie locker aus – aber bei 500 singenden und johlenden israelischen Jugendlichen (Schulausflug?), die gerade den Wanderweg bevölkern, wäre es uns als, sagen wir: Murmeltiere oder Eichhörnchen, auch zu laut. Die Gruppe ist gottlob Richtung Ausgang unterwegs, so dass es etwas ruhiger wird. Nach 20 Minuten „Marsch“, den man offensichtlich verbotswidrig sogar in Flip-Flops unfallfrei bewältigen kann, erreichen wir Davids Wasserfall, ein kühles schattiges Plätzchen.

Nach einer Pause geht es zurück in den Bus – und jetzt endlich auch zum „Strand“, von wo aus man wunderbar das Tote Meer beschwimmen könnte.

Leider ist unsere Lieblingsbadestelle direkt gegenüber dem Park gesperrt. Es gibt ein „Sink-Hole“ Problem an der Stelle, wo frühere Montessori Delegationen immer einen Heidenspaß hatten. Der Untergrund ist brüchig – bei Feuchtigkeit werden die Salzkristalle, die den Boden zusammenhalten, ausgewaschen und wenn man Pech hat, sinkt man einige Meter in so einem Loch in die Tiefe.

Mahdi, der uns auch dieses Mal chauffiert, hat aber schon das Telefon in der Hand. Er ruft seinen Cousin an, dessen angeheirateter Schwager jemanden kennt, dessen Großmutter den Besitzer eines „Dead Sea Spa“ (einer Badestelle mit Restaurant) kennt. Dessen Bruder sitze dort im Kassenhäuschen, verkündet er, und er gibt uns einen „special price“ (na klar!), denn 55 Schekel pro Person (ca. 12 Euro) erscheinen der Reiseleitung für 90 Minuten Badezeit doch etwas reichlich. So geben wir uns als palästinensische Reisegruppe aus, denn die würden nur 30 Schekel pro Person zahlen, erklärt Mahdi. Als Palästinenser mit 8 sommerlich gekleideten blonden Damen gelangen wir beinahe unerkannt an den Badestrand. Lieber treuer Leser dieses Blogs, du darfst den Begriff „Strand“ hier nicht so verstehen, wie du es vielleicht von anderen mediterranen Urlaubszielen her gewohnt bist. Hier in Palästina beginnt der Orient. Und das Tote Meer ist nicht das Mittelmeer. Hier besteht der Strand aus einem großen schwarzen Schlammloch, in dem unsere Jungs erstmal versinken, als sie versuchen, sich ins Wasser zu begeben. 20 Meter vom Ufer entfernt geht’s dann besser. Das Meer (,das ja gar keins ist,) trägt den Schwimmer von allein. Gehört hat man ja davon, aber hier sei es allen Freunden dieses Blogs noch einmal bestätigt. Es funktioniert.

Inzwischen haben sich auch unsere Damen umgezogen und greifen ins Geschehen ein, sehr zur Freude einiger orientalischer Männer, die die schlammwatenden Montessorinnen (darf man sie so nennen?) vergnügt beobachten. Uns egal, so lange sie sie uns nicht abkaufen wollen.

Es entwickelt sich ein fröhliches Plantschen und Paddeln – mit der gebotenen Vorsicht, denn das Wasser reizt die Augen und Schleimhäute. Der BMMG Herren-Fünfer hat inzwischen begonnen, den schwarzen Schlamm kreativ zu verwenden. Marius töpfert sich gekonnt eine Kette mit Kreuz (WP Frau Schlote-Fels?), während Julian und Julius sich das Zeug einfach überall hinklatschen. Es soll ja gut für die Haut sein. Fabian probiert aus, ob sich die Masse auch zur Verbesserung der Haar-Geschmeidigkeit eignet, undsoweiter undsoweiter. Nun, liebe Leserin, lieber Leser, das Ergebnis des Bades hast du ja bereits zu Beginn des Blogs gesehen. Die Reiseleitung findet, dass die außerplanmäßige Ausgabe von 30 Schekel pro Person gut angelegt war. Mit kleinen Blessuren – Salzkristalle sind messerscharf – geht es zurück in die Stadt auf dem Berg. Morgen ist Abflug, da gilt es jetzt, die letzten Geschenke einzukaufen, nochmal eine Portion Hummus with Meat einzuwerfen oder einfach nur die Koffer zu packen.