David Klein.

29Feb2016

Die Militärakademie der israelischen Streitkräfte IDF kooperiert seit Jahren mit der Reali School. Von über 1000 Bewerbern jährlich für diese Armee-Kaderschmiede werden nur 60 angenommen. Die Auswahl ist hart, aber wer einen Platz ergattert, kann sich der Bewunderung seiner Altersgenossen sicher sein. Die Armee genießt ein sehr hohes Ansehen. Schon ab einem Alter von 15 Jahren erhalten die Auswerwählten als Kadetten eine dreijährige militärische Ausbildung in Ergänzung zu den allgemeinbildenden Fächern, die sie auf der Reali School belegen. Ziel ist es, besondere Talente frühzeitig zu erkennen und unabhängig von ihrer Herkunft und sozialen Schicht für spätere Führungsaufgaben auszubilden.

Das alles erfahren wir heute Morgen um kurz nach neun, kurz nachdem wir durch ein Tor im Maschendrahtzaun hinter dem Reali Sportplatz gelassen werden und plötzlich vor einem großen Panzer stehen. Denn zum Auftakt des heutigen Programms zeigen uns zwei smarte 17jährige Jungs in Uniform 30 Minuten lang ihr Reich. Wir erfahren von den Kadetten, dass sich hinter diesem Panzer-Denkmal eine heroische Geschichte verbirgt. Vier junge Soldaten der Militärakademie hatten sich in einem Akt der Verzweiflung entschlossen, während eines „Zwischenfalls“ in der Wüste diesen feindlichen Panzer mit ihren M16 Gewehren anzugreifen. Da sie mit ihren Waffen gegen diesen Stahlklumpen natürlich hoffnungslos unterlegen waren, kamen sie bei diesem Einsatz ums Leben. Der Panzer steht jetzt nicht etwa als Symbol für Dummheit oder die Sinnlosigkeit militärischer Operationen hier, sondern sei ein „Denkmal für Heldentum und Kameradschaft“, so erklärt man uns. Einige aufgeweckte Montessori-Schnelldenker runzeln die Stirn und wollen das nicht so ganz verstehen, aber da geht es schon weiter zu den eben erst neu gebauten Unterkünften des Militär-Internats. Rein dürfen wir nicht, aber man versichert uns, dass der Neubau bestens ausgestattet sei - nur in Ausnahmefällen werde noch gemeinsam geduscht.

Unsere israelischen Gastgeberschwestern und -brüder haben während des kleinen Vortrags längst eigene Diskussionsrunden (mit eigenen Themen) gebildet, so dass es zunehmend schwieriger wird, die Jungsoldaten zu verstehen, obwohl sie nur drei Meter entfernt stehen. Vermutlich kennen unsere israelischen Freunde die Kadettenschule bereits und langweilen sich entsprechend. Ähnliches konnte man schon im Kibbuz Yagur beobachten. Langeweile? Macht nix. Handy raus. Anderes Thema. Und los geht die private Gesprächsrunde. Na gut, sie sind zum Teil über ein Jahr jünger als ihre deutschen Kollegen und müssen eben noch lernen, wie man sich respektvoll verhält.

Eine halbe Stunde kann die fast 40köpfige Gruppe danach auf dem Schulhof die Pausen-Sonne genießen. Überall gibt es Bänke und andere Sitzgelegenheiten, schattig kühle und sehr sonnige Stellen. Die von Studenten geführte Cafeteria hat Hochbetrieb angesichts von Temperaturen deutlich über 25 Grad – und es ist noch nicht einmal Mittag. Lennart schwitzt noch wegen eines anderen Problems: ein riesiges Lunchpaket bringt seinen Rucksack fast zum Platzen – Essen wird man das nicht alles können, denkt er sich. Verteilen kann er seine Chipstüten, Äpfel, Flaschen, Sandwiches und Brötchen auch nicht – Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage ist heute einfach sehr ungünstig. Wir werden berichten, wie es ausgegangen ist.

Den zweiten Teil des Vormittags verbringen wir mit David Klein. Er ist Yehudas Großonkel. Der gut 90jährige ist ein „Survivor“ – einer der wenigen noch lebenden Menschen, die die Tötungsmaschinerie der Nazis überlebt haben und heute dafür in Israel sehr verehrt werden. Er ist extra für uns aus Tel Aviv angereist, um uns aus seinem Leben zu berichten. Da es ein langes Leben ist, dauert sein Bericht entsprechend, zumal er sehr langsam spricht und immer mal wieder kleine Pausen einlegen muss. Doch hier, liebe Leserin, lieber Leser, passiert jetzt nicht das, was ihr vermutet. Sehr diszipliniert und aufmerksam verfolgt die gesamte Gruppe David Kleins Erlebnisse in Auschwitz-Birkenau, in Buchenwald und auf mehreren Todesmärschen quer durch Ost- und Mitteleuropa. Er berichtet von unglaublichen Zufällen, die sein Überleben möglich machten, streut auch mal eine etwas aufheiternde Episode ein – kein Zweifel: Der Mann hat sein Publikum im Griff. Er mag zwar gebrechlich sein, aber er bekommt sofort mit, wenn einer der jugendlichen Zuhörer nicht aufpasst. „You there – you are sleeping. Am I boring you?“ Geduldig beantwortet er fast alle Fragen, so dass wir am Ende in drei Stunden über den Holocaust, die Geschichte Israels und Europas mehr gelernt haben, als in drei Jahren Geschichtsunterricht mit Lehrbuch. Eindrucksvoll.

Die gesamte Veranstaltung wurde aufgenommen und steht in wenigen Tagen als Youtube Video zur Verfügung. Wer jetzt schonmal schauen will. Hier IST EIN VIDEO einer früheren Veranstaltung.

Verständlich, dass nach diesem ernsten Thema ein Kontrastprogramm her muss. Der Strand ist in Haifa immer eine Option. Außerdem hat sich eine Gruppe zum Paintball-Spielen verabredet. Wers nicht kennt: Es hat Ähnlichkeiten mit dem alten „Räuber und Gendarm“ – ist aber deutlich martialischer. Klick HIER MAL DRAUF, um einen kleinen Film dazu anzuschauen. Israelis lieben es – in Deutschland gibt es dagegen immer wieder Bestrebungen, solche Spiele grundsätzlich zu verbieten.

Während die begleitenden Lehrpersonen anderen wichtigen Tätigkeiten nachgehen (Korrigieren, eigene Kinder bespaßen), genießen unsere Austauschteilnehmerinnen und Teilnehmer den freien Nachmittag am Strand, oder – in Israel immer eine Alternative – gehen essen.