Kloster, Kibbuz, Kälbchen

28Feb2016

Dein Mitleid ist angesagt und berechtigt, lieber Leser, angesichts der Tatsache, dass es gerade mal 8 Uhr ist an diesem sonnigen Sonntagmorgen, als wir uns vor der Schule treffen. Die halbe Stunde bis zum Besuch des Schulleiters reicht nicht aus, um all das zu erzählen, was am vergangenen kurzen Wochenende alles passiert ist. Neben gemeinsamen Strandbesuchen und Rudel-Bowling (fast alle waren da) wurde offensichtlich hauptsächlich gegessen – viel gegessen. „Ein Auflauf hätte genügt – bei uns standen vier auf dem Tisch und dann kam noch mehr“ lautet ein Originalkommentar. „Nach den siebzehn Vorspeisen gings erst richtig los“ bestätigt ein anderes Gruppenmitglied mit einem Erlebnis aus einem arabischen Restaurant. Gekrönt wird das Ganze von einem Whatsapp-Foto, auf dem ein ziemlich voll geladener Grillrost zu sehen ist. Man kann nur hoffen, dass dieser Gastgeber vorher noch 10 hungrige Cousins und Cousinen eingeladen hat. Kino, Tel Aviv, Fahrt ans Ende der Welt – wo genau das liegt, war nicht herauszubekommen -, eine Wanderung, Besuch im Reitstall, Klettergarten… langweilig wars also nicht und entsprechend sieht man nur zufriedene Gesichter.

Im Hörsaal, so stellt der Schreiber dieser Zeilen fest, hat sich die Gruppe direkt „gemischt gesetzt“. Da kann man nur sagen: Das deutsch-israelische Verhältnis ist hier und jetzt ein ganz Entspanntes. Der Organisationsaufwand für Israel 2016 fängt jetzt schon an, sich zu lohnen.

Mendi heißt der Schulleiter. Er hat auch einen Nachnamen, aber den kennt hier kaum jemand. In Deutschland kaum vorstellbar, dass Schüler den Schulleiter mit „Moin Hans-Willi“ begrüßen würde. Mendi improvisiert eine kurze Willkommensrede, in der er betont, wie wichtig es ist, dass Lehrer wissen, wie die Welt ihrer Schüler gestrickt ist. Beyoncé ist bei den jungen Israelis „in“, aber auch Izhak Rabin, der tragische Held, Friedensverhandler, Staatspräsident und Nobelpreisträger. Und bei den Deutschen? Wer fällt euch da ein? Wer sind bei uns die kulturellen Leitfiguren? Who are your cultural leaders? Maybe Schumacher? You know, Michael Schumacher, the racist? Trotz dieser kleinen sprachlichen Ungenauigkeit wussten wir, wer gemeint war. Schumacher, the racing driver, gehört eher nicht dazu. Bevor jemand „Der Bachelor“, „Heidi Klum“ oder „Bushido“ reinrufen kann, ist Mendi schon wieder zur Tür heraus.

Denn schon wartet ein Bus auf die 40köpfige deutsch-israelische Delegation. Er bringt uns zum Elijah Karmeliterkloster, einem idyllischen Ort mit grandioser Aussicht – wenn es nicht so dunstig wäre. Auch die Idylle hält sich angesichts der zahlreichen fröhlichen Pilgergruppen in Grenzen. Sie sind gekommen, um den Ort zu besichtigen, an dem laut Bibel die letzte große Schlacht zwischen Gut und Böse stattfinden wird. Da ist es höchste Zeit, mal in die Lunchpaketbox zu schauen. Immerhin ist es ja schon fast halb elf. Der üppige Inhalt lässt alle Endzeitprophezeihungen in den Hintergrund treten.

Pünktlich treffen wir im Kibbuz Yagur ein, eine landwirtschaftliche Kooperative mit 1400 Mitgliedern und eigener Autobahnabfahrt. Es ist eine der letzten ihrer Art, denn sie arbeitet noch immer nach dem Prinzip „alles gehört allen“. So alt das Motte, so ultramodern ist die Agrartechnik, die wir hier vorgeführt bekommen. Vier oder fünf „Hühnerställe“ mit je 20000 Tieren werden von zwei Hühnerchefs gemanagt. Die beklagenswerten Jungtiere wirken auf uns Stadtmenschen, die ihre Vorstellungen von Landwirtschaft meist aus Zeitschriften wie „Landlust“ beziehen, ziemlich schockierend – nicht nur wegen des Geruchs, den sie absondern. Nachdem wir auch bei den Milchkühen und Kälbchen kein viel besseres Gefühl bekommen, sind wir am Ende froh, dass das Kibbuz Museum ohne Tiere auskommt. Beim anschließenden Mittagessen im Kibbuz-Restaurant bleiben die Chicken-Nuggets am Buffet fast alle liegen.

Das Programm des heutigen Tages beschließen wir mit einer kurzen, aber heftigen „Group building“ activity, deren Ziel, den Zusammenhalt der Gruppe zu bestärken, eigentlich längst erreicht ist. So sehen das auch die 40 Teilnehmer, die aber trotzdem einen Riesenspaß haben. Nebenbei ist sogar Zeit, schon den Rest des Tages zu planen.

Eine große Gruppe entschwindet nach der Rückkehr zur Schule direkt Richtung Bahnhof, um 50 km weiter südlich in Tel Aviv mal die Shopping Center in Augenschein zu nehmen. Schon wenig später lassen sich die ersten Beutestücke auf Whatsapp Fotos bewundern.