Berichte von 10/2016

shanah tovah!

02Okt2016

Nachdem unsere Gäste gestern ausführlich Einblick in das Leben ihrer Krefelder Gastfamilien hatten und die israelischen Lehrer einer Einladung nach Köln und ins Neandertal gefolgt waren, gibt es am heutigen Sonntagnachmittag wieder eine gemeinsame Aktion. Dank der gemeisamen Bemühungen des Krefelder Oberbürgermeisters, der Stadtwerke Krefeld und der Krefeld Pinguine ist die Gruppe heute zu Gast beim Eishockey Bundesligaspiel der Pinguine gegen Iserlohn im König-Palast an der Westparkstraße. Für die meisten Gäste ist es der erste Besuch eines Eishockeyspiels - klimabedingt, würde man sagen.

Schade, dass die Pinguine gerade eine schwache Saison spielen und das Spiel deshalb aus Krefelder Sicht unbefriedigend verläuft. Dennoch sind die Jungs und Mädels aus Haifa von der Riesenstimmung in der schwarzgelben Kurve schwer beeindruckt.

Den Abpfiff bekommen wir schon nicht mehr mit, denn es gilt, einen weiteren Termin wahrzunehmen - und was für einen: Der 3. Oktober ist nicht nur der Tag der Wiedervereinigung, sondern auch der Tag des jüdischen Neujahrsfests Rosh haShana. Heute ist damit in der jüdischen Welt so etwas wie Silvester. Und da wird gefeiert.

Wir pilgern zum Krefelder jüdischen Gemeindezentrum an der Wiedstr. Michael Gilad hat uns eingeladen, mit der ganzen Gruppe am Gottesdienst und der anschließenden Feier teil zu nehmen. Eine ganz besondere Erfahrung.

Der Rabbiner spricht deutsch - daher können wir seiner Ansprache gut folgen. Schwieriger ist es dann schon mit den uralten Gesängen, die danach folgen - vorgetragen von fast ebenso alten Gemeindemitgliedern und einem Vorsänger, der extra aus Israel eingeladen worden ist. Diie Synagoge ist voll besetzt - Männer unten, Frauen oben auf der Empore.

Nach einer Stunde dann plötzlich "shanah tovah!" überall. Man klopft sich auf die Schulter, liegt sich in den Armen - auch die deutschen Gäste werden freundlich gegrüßt. Man wünscht sich hier kein "frohes neues Jahr", sondern hofft, dass das bevorstehende Jahr ein gutes sein wird, in welchem der Mensch nicht nur Frohsinn erlebt, sondern aktiv dazu beitragen will, dass es allen Mitmenschen gut geht.

Schließlich geht die ganze Geminde in den großen Saal, der festlich gedeckt ist. Es ist zwar angesichts der zusätzlichen knapp 40 Gäste etwas eng, aber gemütlich. Es gibt Apfelstückchen mit Honig, Granatapfel und Honigkuchen, der allgemein großen Anklang findet - nicht nur, weil dazu ein ordentlicher Rotwein gehört.

Im Anschluss hat Michael Gilad sorar noch Zeit, uns das Gemeindezentrum zu zeigen. Hier staunen besonders die israelischen Schülerinnen und Schüler über die verschiedenen Exponate zur Erinnerungskultur, die hier ausgestellt sind - über den großen Quilt, den Krefelder Schüler/innen mit hunderten von Namen der Opfer des Nationalsozialismus' bestickt haben und über das Fenster der alten Krefelder Synagoge, die 1938 in Flammen aufgegangen war.

Gegen 22.30 Uhr geht dieser ereignisreiche Sonntag zu Ende - jedenfalls für den Blogschreiber.

 

 

Volles Programm am Dienstag

04Okt2016

Da viele Einrichtungen am Nationalfeiertag 3.10. entweder geschlossen oder überfüllt sind, haben wir uns entschieden, den gestrigen Tag noch einmal in die Eigenregie der Austauschpartner zu geben. Langeweile scheint nicht aufgekommen zu sein. Als sich die unterrichtsbedingt unvollständige Gruppe heute gegen 9 Uhr vor dem Krefelder NS Dokumentationszentrum Villa Merländer trifft, sieht man viele zufriedene Gesichter. Fast schon zu gelöst ist die Stimmung angesichts der ernsten Themen, mit denen wir uns in den folgenden drei Stunden beschäftigen.

Von Frau Dr. Schupetta, der Leterin des Zentrums, hören wir die Lebensgeschichte des ehemaligen Besitzers der Villa. Richard Merländer, ein jüdischer Händler, ein Selfmade-Man, der es in den 20er und 30er Jahren in Krefeld zu Wohlstand gebracht hat und der ab 1935 systematisch von den neuen Machthabern schikaniert, ausgegrenzt, gedemütigt, verprügelt, enteignet  und deportiert wurde, kam schließlich im KZ Treblinka zu Tode.

Mithilfe der in der Villa gesammelten Dokumente erschließen sich die Schülerinnen und Schüler weitere Lebensschicksale. Sie lernen hier nicht nur historische Fakten über ihre Heimatstadt kennen, sondern erfahren auch, wohin Fremdenhass und Intoleranz führen können. Die Frage, warum man sich mit solchen "alten Geschichten" überhaupt befassen sollte, stellt sich da nicht mehr.

Von der zweiten Tageshälfte gibt es wieder Fröhlicheres zu berichten. Wir fahren nach Neuss in die Skihalle. Schnell ist die Kälte auf der Piste vergessen, denn die Skilehrer heizen den Pistenneulingen ordentlich ein. Erstaunlich, wie viele Mitglieder der israelischen Delegation bereits gut Ski fahren können - aber auch wieder nicht, denn Israel hat am Berg Hermon sogar ein ausgewachsenes Ski Resort zu bieten.

Ohne Blessuren verlassen wir Neuss wieder, denn jetzt heißt es: Sachen packen. Morgen ist schon der letzte Tag in Krefeld. Auf der Farewell-Party im Pfarrheim Hubertus braucht allerdings kaum jemand Lebewohl zu sagen, denn fast alle deutschen Schüler begleiten ihre Gäste zum Abflughafen - nach Berlin.