Berichte von 03/2016

Super Tuesday.

01März2016

Der blaue Bus ist wieder da! Busfahrer Mahdi hat das Gefährt morgens um 5 in Jerusalem aus der Garage geholt, um jetzt, genau um 7.59 Uhr, in die Reali School Einfahrt einzubiegen. Einige Mitglieder der Krefelder Gruppe sind schon da, andere auf dem Weg – so kann man in der Whatsapp Gruppe lesen. Ihre israelischen Gastgeber fahren heute mit auf unsere kleine Stadtexkursion. Es geht zunächst kurz nach Stella Maris, der berühmten Karmeliterkirche mit den schönen Deckenmalerien. Einige israelische Schüler berichten auf Anfrage, dass sie noch nie in dieser Kirche waren und zeigen sich von der tollen Ausstattung beeindruckt. Der Prophet Elia / Elisha soll sich hier in einer Höhle versteckt haben. Christen, Muslime und Juden nutzen diesen Ort, um hier zu beten.

Eine weitere Weltreligion hat ihr wichtigstes Heiligtum hier in Haifa angesiedelt – die Baha’i. Bevor wir von ihnen in ihrem weltbekannten begrüßt werden, fährt der Bus noch eine Schleife durch die „German Colony“. Fromme Deutsche haben hier im frühen 20. Jahrhundert eine Siedlung gegründet, um den Pilgern ins heilige Land eine Bleibe zu bieten. Das Blechschild am Eingang der Siedlung ist seit 2011 ein Kult-Gruppenbild-Motiv für BMMG Israelreisende. Wir schaffen ein 95prozentiges Komplettbild der Gruppe – sogar die deutschen Lehrer sind mal mit drauf.

Wer nach Haifa fährt, der muss in den Baha’i Garten. Das ist der mit der goldenen Kuppel in der Mitte. Siebenhundert Stufen geht es - mal wieder bei schönstem Wetter - in die Tiefe, den Hang hinunter, vorbei an kunstvoll gezirkelten Beeten, seltsam riechenden Wasserläufen und Fontänen und über jede Menge braun gefärbter Kiesel. Die Baha’i haben die Schönheit der Natur zum Teil ihrer Religion gemacht – sie glauben an Jesus, Mohammed, Buddha, Moses – an alle religiösen Führer. Ihren eigenen haben sie unter der goldenen Kuppel begraben. Das müsse man nicht alles verstehen; es funktioniere wohl aber gut, zumindest finanziell scheine es sich zu lohnen, gibt Yehuda Auskunft.

Wir wollen einen Blick in den Schrein werfen, aber da tauchen die ersten Probleme auf, und zwar in Form der Kleiderordnung. Kurz gesagt: alles muss bedeckt werden. Die löchrige Designerjeans genauso wie das T-Shirt mit V-Ausschnitt. Minuten später sieht der unbeteiligte Besucher ein seltsam gemustertes Völkchen Richtung Eingang schlendern. Julius hat sich eine Damenstrickjacke um den Bauch gebunden, denn er ist in zu kurzer Hose unterwegs. Daneben läuft eleganten Schrittes unser Lennart, in seinem rosa Wickelröckchen kaum zu erkennen. Und all diese seltsamen Gestalten stören den toten Baha‘i Führer nicht so sehr wie ein unbekleideter Unterarm?

  

Nach etwa 23763 Fotos geht es weiter nach Akko, etwa 40 km nordwärts. Auch in der berühmten grünen Moschee dort will man keine Haut sehen, aber hier gibt es Leih-Schals. Unsere kleine Rundreise endet schließlich am alten Hafen – und zwar mit einer Bootsfahrt in einer pinken Badewanne, die schon bessere Tage gesehen hat – genau wie der Kapitän. Der Blogschreiber selbst übernimmt das Steuer - nein halt. Das war nur fürs Foto.

 

Lässig-entspannt schaut sich die heute fast 40köpfige Gruppe unter arabischer Beschallung die Stadtmauer von Akko vom Wasser aus an.

Wir sind schon um 3 zurück in Haifa, denn es muss ja noch Zeit bleiben, die Abschiedsparty vorzubereiten. Ja, lieber Leser, liebe Leserin, richtig gelesen. Morgen brechen wir hier unsere Zelte ab. Die Reali Boys und Girls mögen noch gar nicht daran denken.

Gerade reingekommen: Ein paar exklusive Bilder von der Farewell-Party bei Daniel zuhause. Die ganz exklusiven Sachen mussten leider draußen bleiben. Zensur.

  

Ab in die Hauptstadt

02März2016

Es lässt sich nicht ändern. Wir müssen los. Seit einer halben Stunde steht der Bus vor der Reali School, aber noch sitzt niemand drin. Auf dem schmalen Grünstreifen zwischen Zufahrt und Hauptstraße dagegen liegen sich knapp 40 Jungs und Mädels abwechselnd in den Armen. Nein, wir können nicht noch eine Woche bleiben. Ja, der Bus fährt ab. Nein, im Koffer ist kein Platz für dich.

Endlich schließen sich die Türen und es geht Richtung See Genezareth. Die Sonne hat es heute etwas schwerer als sonst, denn über dem ganzen Land liegt Hochbewölkung. Trotzdem sieht die Kirche auf dem Berg der Seligpreisungen gut aus. Nur wenige Pilgergruppen beten vor den open-air Altären, weshalb es angenehm ruhig ist und man den Blick auf Kirche und See genießen kann. Mira liest uns dazu die entsprechende Bibelstelle vor.

Die Wirkungsstätten Jesu reihen sich wie Perlen an einer Schnur auf. Tabgha ist ruckzug erreicht – hier fand die Brotvermehrung statt – wahrscheinlich, muss man sagen, denn ganz früher hat man auf der anderen Seite des Sees gebetet. Anders in Kapharnaum, wo Jesus tatsächlich gelebt, gewohnt und gepredigt hat. Er hat aber sicher nicht in einem UFO gewohnt, obwohl die Gedächtniskirche genauso aussieht.

Gibt es noch mehr heilige Plätze? Klar – aber damit wir nicht durcheinanderkommen, brauchen wir erst mal eine Auszeit. Die nehmen wir uns am Ufer des Sees Genezareth, im Eden Village Resort Ma’agan. Dieser Kibbuz hatte schon vor Jahren festgestellt, dass Feldarbeit anstrengend ist und sich nicht so richtig lohnt. Also wandelten die Mitglieder ihr Land in einen Ferienpark mit Strand und Exra Schwimmbad um. Tja, und seitdem rollt der Schekel. Wir dürfen heute umsonst hinein, denn es ist noch gar nicht geöffnet. Das ist dem See aber egal, er ist das ganze Jahr beschwimmbar. Die Montessori Delegation hat an alles gedacht. Sonnencreme, Handtücher, Badesachen, Nagellack … was man so braucht für eine Pause am Strand.

Jetzt sind wir bereit fürs Finale. Yardenit am Jordan ist die Stelle, an der Johannes der Täufer Jesus getauft hat. Heute ist dort ein ziemlich durchkommerzialisiertes Taufzentrum. Für umgerechnet 30 Euro gibt’s das Taufhemd, ein Handtuch und eine Urkunde. Nur den Pastor muss man mitbringen. Wir haben gerade keinen dabei, so dass das Taufen für uns ins Wasser fällt – beziehungsweise eben gerade nicht. Besser machen es zwei amerikanische Pastöre im Nachbarbecken. Bei ihnen stehen die Kandidaten Schlange. Was uns betrifft verschieben wir das Event also. Zwei oder drei Delegationsmitglieder werden an dem Stand gesehen, wo man das Jordanwasser in Flaschen kaufen kann. Wer da also Bedarf hat … Namen sind der Redaktion bekannt.

Um halb vier fährt der Bus in Yardenit vom Hof. Das längste Teilstück liegt vor uns – der Weg nach Jerusalem durch die West Bank. Knapp 200 km schaffen wir in gut 2 Stunden. Die karge Wüstenlandschaft fliegt an uns vorbei. Noch eben durch den Tunnel und wir sind mitten im Häusermeer von Jerusalem.

Das Panorama Hotel liegt im Ostteil der Stadt. Hier geht es recht arabisch zu. Die Gegend ist ziemlich zugemüllt und es gewinnt immer der Autofahrer, der öfter als alle anderen hupt. Bei den Zimmern gibt es erstmal keine Klagen, so dass wir uns in die Jerusalemer Altstadt begeben. Das. liebe Leserinnen und Leser, klingt ganz leicht, ist es aber nicht, erfordert es doch ein gerüttet Maß an Kondition, die etwa 200 Stufen aus dem Kidron-Tal heraufzuklimmen.

Aber wir sind ja jung – und schaffen das locker. Eben noch durch die Sicherheitsschleuse und schon stehen wir vor der Klagemauer. Schön getrennt nach männlichen und weiblichen Betern.

Ein langer Donnerstag

03März2016

Die erste Nacht im Panorama-Hotel ist für manche Zimmerbesatzung etwas unruhig verlaufen. Ein Wetterumschwung kündigte sich an: Starker Wind pfiff die ganze Nacht ums Haus und verursachte im Zusammenspiel mit undichten Fenstern ein Pfeifkonzert von beeindruckender Lautstärke. Die Panorama Sinfonie wurde komplettiert, als der Muezzin (oder sein elektrischer Vertreter) so gegen 4 Uhr 30 Uhr zum Gebet rief. Die Abfahrtszeit - halb neun - unseres blauen Busses zur Gedenkstätte Yad Vashem ist aber dennoch zu schaffen, notfalls auf Kosten des Frühstücks.

Ach ja, das Frühstück. Die Zutaten dieser Mahlzeit sind hier in Ostjerusalem ein wenig anders, als man es von Zuhause kennt. Thunfischsalat, Paprika, Tomaten und Schokoladenkuchen ergänzen die global üblichen Marmeladenportionstöpfchen. Die männlichen Küchenfeen zaubern aber auf Wunsch auch frisches Rührei. Dazu Instant-Kaffee, den es hier überall gibt. Insgesamt ein ordentlicher, aber ausbaufähiger Start in den Tag.

Nach kurzem Stopp am Parlamentsgebäude Knesset biegen wir in die Zufahrt zu Yad Vashem ein. Der Kultusminister sponsert uns hier und heute ein sechsstündiges Programm. Im ersten Teil bekommen wir eine Führung durch das Museum. Wir lernen, wie sich das jüdische Leben zu Beginn der 30er Jahre durch die Machtergreifung erst langsam, dann immer radikaler änderte. Die Ausstellungsstücke sind alles Originale. Bilder und Nazi-Fahnen von 1933, Judensterne und diskriminierende Schilder und Plakate. Zwei Abteilungen weiter sehen wir ein Filmdokument, in dem eine Erschießung gezeigt wird. Und immer wieder stellt sich die Frage: woher der ganze Hass? Woher die enorme Lust deutscher Soldaten an solch brutalen Handlungen? Das Museum gibt keine Antworten, sondern dokumentiert schlimme Einzelschicksale, aber auch Geschichten, die gut ausgehen. Das Problem des langfristigen Umgangs mit diesen Taten wird durch das Museum nicht gelöst. Die Frage, ob man nach soundsovielen Jahren dieses traurige Kapitel Geschichte einfach umblättern darf, muss jeder für sich selbst beantworten.

Im zweiten Teil hat unser smarter Guide Jonathan eine kleine „Aktivität“ vorbereitet. Als das magische Wort „Gruppenarbeit“ fällt, setzt sofort routiniertes Stühlerücken ein. Tjaaa … Elf Jahre Montessori. Bei dieser Disziplin macht uns keiner etwas vor. Routiniert werden die Materialien zu den hier dokumentierten Einzelschicksalen bearbeitet und nach 20 Minuten stehen die Ergebnisse. Doch der Tag ist noch nicht vorbei. Mitten in der Präsentation von Gruppe 4 springt Jonathan auf und verlässt den Raum. Bald ist er zurück und bringt Besuch mit. Die ältere, aber noch sehr rüstige Dame ist Hanna Pick, eine Überlebende des Holocaust. 90 Minuten ohne Pause erzählt sie druckreif aus ihrem Leben. Unsere kleine Reisegruppe ist total fasziniert, als wir erfahren, dass sie neben Anne Frank gewohnt hat und sie beste Freundinnen waren. Selbst im Lager Bergen-Belsen haben sich noch kurz wiedergetroffen. Die vielen Episoden - tragische, schicksalhafte oder komische – trägt Frau Pick ohne Manuskript und ohne die Spur einer Ermüdung vor. Man könnte noch stundenlang zuhören. Unsere Schülerinnen und Schüler nutzen die in jeder Hinsicht historische Begegnung am Ende für ein Gruppenbild – der Abschluss eines wahrhaftig außergewöhnlichen Nachmittags.

Als wir uns um zehn vor sieben am Rand der Altstadt treffen, schwenken die Damen Einkaufstüten – alle vom gleichen Laden. Die Nachfrage des Blogisten, was man denn da kaufen könne wird nach kurzem vorwurfsvollem Schweigen mit „da gibt es nichts für Sie“ beantwortet. Ah ja. Nun, das Personal schien die Damen nur mittels kräftiger Rabatte von einem Kauf überzeugt zu haben. Wenn man schon in der modernen Mamilla Mall gute Preise aushandelt, dann ist man reif für die Altstadt.

Wir beschließen den Tag in den Tunneln , die entlang der Klagemauer unter der heutigen Bebauung verlaufen. Ganz schön eng sind die Durchlässe, ganz schön rutschig der Boden. Der Anblick eines 12 Meter langen und 4 Meter hohen Bausteins der Klagemauer beeindruckt noch einmal die Krefelder Delegation, die ja heute schon viel erlebt hat.

Nach 216 Stufen Kidron-Tal und der ansteigenden Straße hinauf nach Ras al Amoud fallen wir glücklich ins Bett --- ach nee: in die Lounge Sessel in der Lobby. Denn hier gibt es wLan. Der Tag muss jetzt erst noch mit der Welt besprochen werden.

Auf und Ab in der heiligen Stadt

04März2016

Bei 14,2 Kilometern blieb heute der elektronische Entfernungsmesser stehen. Wir hatten unser Ziel, die Kirche der Nationen am Fuß des Ölbergs erreicht. Der Tag hatte mit den üblichen 216 Stufen begonnen. Hinzu kamen nochmal 100 oder mehr, weil wir auf den Zionsberg kletterten.

Punkt zehn betreten wir die Dormition Abtei. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. hat diese Kirche mitfinanziert. Während seiner Regentschaft hat er ja nicht viel zustande gebracht, aber hier hatte er ausnahmsweise eine gute Idee. Wir sind die ersten Besucher und werden freundlicherweise mit Orgelmusik empfangen. Draußen haben wir uns schon an diversen Pilgergruppen vorbeigeschoben; hier im Kirchenraum ist die Stimmung dagegen sehr ruhig. In der Krypta entzünden wir Kerzen an der Stelle, an der Maria gestorben ist (oder sein soll). Der eine oder andere Montessori-Reisende mag durch den flotten Aufstieg müde sein, aber es sind doch wohl eher die Wirkung des Raums und die Orgelmusik, die dazu führen, dass sich die Gruppe fast wie abgesprochen in einem Kreis um die Marienstatue einfindet und minutenlang gemeinsam betet oder auch meditiert.

Im Kirchenshop treffen wir später auf einen deutschen Pater, der sich sehr über unsere Anwesenheit freut und direkt Reklame für Volunteer-Stellen für Abiturientinnen und Abiturienten macht. Sicher nicht die schlechteste Idee für den Fall, dass man das Heilige Land mal länger als 12 Tage erleben will.

 

Einmal schräg um die Ecke und wir stehen im Abendmahlssaal. Dieser Raum beeindruckt uns wenig – zumal jeder Reiseführer darauf hinweist, dass der Raum erwiesenermaßen erst 1000 Jahre nach Christi Geburt entstanden sein kann. Noch eine Ecke weiter und man hört schon laute Gesänge und Klopfgeräusche. Am Eingang steht „men“ und „women“, weshalb so manch ein Tourist hier eine Toilette vermutet hat. Dabei handelt es sich aber um den Zugang des Grabs von König David. Er möchte nur geschlechtergetrennt angebetet werden – was auch geschieht. Auf der „Männerseite“ betet eine Handvoll orthodoxer Juden was das Zeug hält - mit vollem Körpereinsatz und seltsamen Gesängen.

Wir nehmen den Hinterausgang, finden den Friedhof mit dem Schild „To Oskar Schindler‘s Grave“ und dann auch schnell das Grab des deutschen Unternehmers, der über 1200 Juden vor dem Holocaust gerettet hat. Er war uns ja bereits in Yad Vashem begenet, als Beispiel für einen „Gerechten unter den Völkern“. Emma liefert in ihrem Kurzreferat noch ergänzende Infos, bevor es zurück geht – und zwar Richtung Jaffa Gate.

Was macht denn das Verhandlungsgeschick unserer kleinen Delegation? Carlotta konnte den Preis einer Geldbörse um 50% senken – Kaya hatte gestern schon den Vogel abgeschossen, denn als sie den Laden ordnungsgemäß verließ, hatte sie nicht nur die Ware, sondern auch 100 Schekel (25 Euro) mehr als vorher.

Das Lions Gate Stadttor erreichen wir nach einem Marsch mitten durch den arabischen Basar. Hier verlassen wir die Altstadt und bewegen uns jetzt Richtung Ölberg. Der soll aber ziemlich steil sein. Hier unten in der Krypta der Marienkirche, wo man das Grab Marias aufbewahrt, merkt man noch nichts davon. Auch der Getsemane Garten mit seinen 1000 oder 2000 Jahre alten Olivenbäumen ist nicht gerade anstrengend. Aber jetzt kommt’s: 24% Steigung – das ist ja kurz vor Senkrechte… Das Feld zieht sich in die Länge, aber nach wenigen krassen Minuten ist die Kapelle Dominus Flevit erreicht. Alle, die am Zustandekommen dieses Blogs beteiligt sind, müssen natürlich in diese Kapelle, hat man doch von hier aus den berühmten Blick aus dem Kirchenfenster, das auch das Titelbild zum Blog liefert.

 

Kleine Motivationsprobleme für den Rest der Strecke werden lässig mit einem „isnichmehrweit“ weg gewischt – und tatsächlich: von hier aus kann man das Ende der Straße schon sehen --- da ganz oben. Unsere fünf sportlichen Jungs sprinten die Strecke, und auch der Rest hat den Gipfel bald erreicht. nach Atem ringend macht sich die nachvollziehbare Erkenntnis breit: Jesus muss eine gute Kondition gehabt haben. Er war ja öfter hier oben, nicht nur als er die Vision hatte, in der Jerusalem vor seinen Augen verbrannt wurde und unterging und die ihn zum Weinen brachte („dominus flevit“). Auch seine Jünger durften nicht immer in der Getsemani Grotte auf ihn warten; sie mussten mit hoch. Hier oben hat Jesus ihnen das Vaterunser beigebracht – daher gibt es hier die Paternosterkirche mit dem Text in fast 200 Sprachen – oder sind es noch mehr?

Ob Jesus ein Kamel benutzt hat, um hier hochzukommen ist nicht überliefert. Jedenfalls treffen wir oben eins. Kojak the Camel wartet samt diverser Besitzer und Schaulustiger auf Kundschaft. Wenn es um Tiere geht, ist der Montessori-Schüler sensibel. Eine Reihe Vegetarier sind ja heute auch dabei, Katzenliebhaber hatten sich auch schon bei Dominus Flevit mit den dort lebenden Exemplaren angefreundet. Bei Kojak, dem Reitkamel kommt trotz intensiver Bemühungen aber keine Lust auf, mal eine Runde auf ihm zu drehen. Das Tier sieht verwahrlost aus, scheint an den Knien zu bluten, riecht nicht gut und macht seltsame Geräusche. Das führt dazu, dass nur Luci und Mira einen Ritt wagen. Also: heute kein Geschäft für die Familie, die dieses „Kamelreitbusiness“ hier seit Jahen betreibt.

Nach einem Besuch in der Paternosterkirche tritt die Gruppe gegen 16.30 Uhr bei immer noch prächtigem Frühlingswetter den Heimweg an. Fast alle biegen am Fuß des Ölbergs nochmal ab und gehen in die Altstadt, um das Treiben rund um den Beginn des Schabat am Freitag abend zu beobachten.

Später am Abend stellt sich heraus, dass es ganz in der Nähe der Klagemauer einen Polizei-Großeinsatz gab, der durch einen Streit zwischen einem Orthodoxen Juden und einem Araber ausgelöst wurde – so die Jerusalem Post. Bei solchen Ereignissen reagiert die Polizei hier immer recht nervös. daher der Aufwand. Niemand wurde ernsthaft verletzt – und unsere Montessori-Gruppe bekam davon erst später über die Online-Agenturmeldung etwas mit.

In der Hotel-Lobby war dann bis 22 Uhr noch Füße hochlegen und Nachhausetelefonieren angesagt.

Männer, Frauen, Apfelstrudel

05März2016

Fast schon ein Ruhetag, dieser Samstag. Na klar, sagt sich der regelmäßige Leser dieses Blogs: wie letzte Woche: Schabat. Der Schabat war aber gar nicht schuld, dass aus den drei im Programm ausgewiesenen Highlights nur eineinhalb stattfanden. Dabei ist das Highlight „länger schlafen“ noch gar nicht mitgerechnet. Das gab es nämlich gleich zu Beginn. Spätes Frühstück und verzögerter Abmarsch; letzterer ist dem trägen WLan des Hotels zuzuschreiben, wollte das Ding doch die Fotos nur pixelweise in den gestrigen Blogbeitrag laden.

Nachdem Carlotta uns die Stadtgeschichte Jerusalems noch einmal in gedrängter Form präsentiert hat (erobern … erobern … erobern…) ziehen wir auf inzwischen ausgetretenen Pfaden rauf bis zum Jaffa Gate. Wir marschieren jetzt immer wie selbstverständlich quer über den Friedhof. Wo die Stufen fehlen, da nehmen wir die Gräber, das spart 5 Minuten und ist einfach cooler. Wir erreichen das Jaffa Gate knapp vor einer Dudelsack-Kapelle(!) und einem Pulk schwarzegkleideter religiöser Herren. Was immer hier stattfindet, die Freude ist groß. Schwarze Limousinen, Selfies mit Würdenträgern und Scharen von Schaulustigen, die von einem Polizei-Großaufgebot bewacht werden. Dazu spielt die Pipe Band lustige Melodien.

Menschenmassen sollte man zurzeit besser meiden, weshalb wir uns auf die Stadtmauer begeben, von der man das Geschehen aus sicherer Entfernung beobachten kann. Bald wird das Ganze aber langweilig, sodass wir unsere Stadtmauerwanderung planmäßig und fast pünktlich beginnen können. Auf dem Weg zum Lions Gate erhalten wir von hier oben ein paar intime Einsichten in das Privatleben der christlichen und arabischen Bewohner. Wir passieren stark gesicherte Gebäude („Ist das der Knast?“ – „Nee, da weht doch die Vatikan-Fahne drauf.“) und Schulhöfe, deren überwiegend männliche Belegschaft bei unserem Erscheinen sofort das Balzritual beginnt.

Überhaupt scheinen die Männer des Mittleren Ostens mit unserer Reisegruppe ein Problem zu haben. Das liegt nicht unbedingt an den beiden überaus attraktiven Reiseverantwortlichen. Laufen wir an einer befahrenen Straße unserem Ziel entgegen – und das tun wir oft, sehr oft – erzeugen wir regelmäßig Hupkonzerte. Wagenfenster werden heruntergekurbelt und die Subwoofer auf maximum gestellt. Dass es noch nicht zu Unfällen gekommen ist, grenzt an ein Wunder. Auch als Fußgängerin muss man manch merkwürdige Konversation führen: „Where are you from?“ – „Germany.“ – „Welcome. Do you need a husband?“ – „I could need one, but I don’t pay more than 30 Shekels.“ Arg erwischt hat es die vier 10 bis 12jährigen Jungs, die uns gestern beim Kamelreiten beobachtet haben, Sie hatten wohl noch nie so viele attraktive Damen auf einmal gesehen – verständlich, denn 15 ist ja schon eine stattliche Zahl. Sie hatten sich vermutlich sofort unsterblich verliebt, als wir auf dem Ölberg auftauchten – so könnte man wohlwollend ihre Gesten und ihre ausgelassene Stimmung interpretieren. Kojak, dem Kamel, gefiel das überhaupt nicht. Vielleicht war Eifersucht im Spiel. Vermutlich hatte das Tier auch besser verstanden, was die Jungs gesagt hatten. Jedenfalls entschloss sich Kojak mit einer schnellen Kopfbewegung , das Mauersims frei zu räumen, auf dem die Jungs Platz genommen hatten. Liebe Leserin, lieber Leser -- du glaubst nicht, was für eine Körperkraft so ein Kamel entfalten kann, wenn man es auf diese Weise herausfordert. Die Jungs fanden sich allesamt am Boden wieder, sehr zur Freude der gesamten BMMG Delegation. Obwohl man als junge blonde Frau im arabischen Basar zweifellos Vorteile bei der Preisgestaltung geltend machen kann, und die Ölberg Episode eine eher lustige Begebenheit war, sind die Erfahrungen insgesamt in diesem Jahr eher negativ.

Der Weg über die Stadtmauer endet auf halber Strecke, weil jemand kurz nach dem Damascus Gate ein Gitter gesetzt hat. Nach kurzem Marsch durch düstere Tunnel erreichen wir doch noch unser Ziel. Unser nächstes Augenmerk gilt dem Österreichischen Hospiz an der Kreuzung Lions Gate St. und Via Dolorosa. Hierhin hat uns ein Sponsor aus dem heimischen Krefeld Oppum eingeladen. Es gibt Strudel und Verlängerten, also was mit Apfel und einem Milchkaffee. Die schöne Gartenterrasse gefällt den meisten so gut, dass sie die nächsten drei Stunden gar nicht mehr weg wollen.

Pater Gregor hat uns versetzt – oder vergessen – oder beides. Den Kreuzweg beten wir daher allein, nur teilweise und stehen deshalb um 17 Uhr an der Grabeskirche. Zuvor konnte der Chor der Israelfahrer 2016 in der St Anna Kirche „Ein Licht in Dir geborgen“ zum Besten geben und den 8 sekündigen Nachhall genießen.

In der Grabeskirche sind wir nicht allein. Tausende Pilger, Touristen, Geistliche mit seltsamen Kopfbedeckungen und auch ein paar Sicherheitskräfte bevölkern den Innenraum. Obwohl dadurch die Andacht völlig verloren geht, strahlt dieser Ort noch etwas sehr Besonderes aus. Im ersten Stock ist Golgatha. Man kann die Felsen sehen, in die Jesu Kreuz eingeschlagen war. Gerade als die Warteschlangen weniger werden, beginnen die griechisch-orthodoxen Priester ein längeres Abendgebet, so dass wir nicht ganz nahe an die Stelle gehen können.

Heute haben wir gelernt, dass deutsche Touristinnen von arabischen Männern nichts zu befürchten haben, selbst wenn sie weniger als eine Unterarmlänge Abstand haben. Das gilt übrigens auch für Jungs.


Weich wie ein Kinderpopo

06März2016

Der Titel des heutigen Blogeintrags lautete ursprünglich mal anders, aber aus Gründen der Zensur musste das Sprachniveau leicht nach oben angepasst werden. Der Titel bezieht sich im Grunde auf das Foto, das heute Nachmittag so gegen halb fünf in Baikini Beach geschossen wurde – also schon fast am Ende des heutigen Tages, der so früh wie kaum ein anderer begann.

Schon um sieben nach acht fährt der blaue Bus heute von unserer Residenz am Ölberg ab, hinab zum Toten Meer. Die permanent abschüssige Zufahrtstraße verursacht bei manchen Businsassen einen leichten Druck auf den Ohren. Kein Wunder, denn bis zum Ufer des Toten Meers, das eigentlich ein See ist, verlieren wir in einer halben Stunde Fahrt etwa 1100 Höhenmeter. Bei 420m unter dem NN Meeresspiegel biegen wir in die Uferstraße ein. Tiefer geht es hier nicht mehr. Wir sind am tiefsten begeh-/befahrbaren Punkt der Erdoberfläche angelangt.

Die grandiose Wüstenkulisse, in Kombination mit dem tiefblauen Wasser und dem (wie fast immer) azurblauen Himmel, lässt sogar einzelne Passagiere ihren Schlaf unterbrechen. Schon stehen wir vor dem Eingang von Qumran, dem berühmten Ort, an dem die Essener ihre Schriftrollen vergraben hatten, bevor ein Hirtenjunge in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts eine dieser Rollen fand. Unserem Qumran Experten Julius war natürlich sofort aufgefallen, dass die Essener nicht aus dem Ruhrgebiet angereist waren. Der Name spricht sich EssEHner aus. Die Ausgrabungen sind eher etwas für Archäologen, aber der Film im Infocenter macht die verfallene Stätte wieder lebendig. Auch die Reisekatalog-Kulisse findet einigen Anklang bei den Monte-Kids. Die Kombination aus Hochgebirgsvegetation, Felsen, Meerwasser und Salzkruste am Ufer ist wirklich hübsch anzusehen und diente als Backdrop für etwa 2453 Fotos.

„Hamke Behrendt Bootcamp“ murmelt ein Teilnehmer, der hier nicht genannt werden möchte. Wir sind schon weiter gefahren und stehen vor dem Berg, auf dem 100m über uns die Festung Masada liegt. Keine Angst, liebe Leserinnen und Leser, und speziell auch: liebe Eltern. Wir muten Ihren Kindern hier nichts Unmenschliches zu. Israelische Pfadfinder und angehende Soldaten gehen selbstverständlich den „Snake Path“, den Fußweg zum Gipfel – selbst bei knapp 30 Grad. Die Reiseleitung denkt da pragmatisch - und auch an sich selbst. Wir nehmen die klimatisierte Seilbahn sind in 3 Minuten da, haben aber auch noch Zeit, die berauschende Aussicht auf die Wüste und aufs Tote Meer zu genießen.

Ganz entspannt verbringen wir eine gute halbe Stunde in den Trümmern einer großen Schlacht, die hier stattgefunden hat. Wir finden die Treppen zu Herodes‘ Festung (Treppen! Haben wir keine Angst mehr vor.) und wenig später das Restaurantgebäude. Das McDonalds, das unsere letzte Reisegruppe mit teuren Burgern, aber freiem WLan versorgt hat, ist verschwunden. Mist. Schon wieder Falafel? Oder bis heute Abend warten? Die meisten entscheiden sich für Letzteres.

Inzwischen ist es Mittag – und schon wieder naht ein Highlight, dem einige Damen mit gemischten Gefühlen entgegensehen. Muss man da wieder laufen? Ist das weit? Gibt’s da Wlan? Der Naturpark En Gedi (oder Ein Gedi) ist berühmt für seine Quellen, Flüsse und Wasserfälle. Mitten in der Wüste gibt es hier Bäume, Büsche, einen kleinen Wald und einen enormen Artenreichtum an Tieren. Die haben aber gerade keine Lust, sich den Touristen zu zeigen. Nicht dass es zu heiß wäre – 30 Grad halten sie locker aus – aber bei 500 singenden und johlenden israelischen Jugendlichen (Schulausflug?), die gerade den Wanderweg bevölkern, wäre es uns als, sagen wir: Murmeltiere oder Eichhörnchen, auch zu laut. Die Gruppe ist gottlob Richtung Ausgang unterwegs, so dass es etwas ruhiger wird. Nach 20 Minuten „Marsch“, den man offensichtlich verbotswidrig sogar in Flip-Flops unfallfrei bewältigen kann, erreichen wir Davids Wasserfall, ein kühles schattiges Plätzchen.

Nach einer Pause geht es zurück in den Bus – und jetzt endlich auch zum „Strand“, von wo aus man wunderbar das Tote Meer beschwimmen könnte.

Leider ist unsere Lieblingsbadestelle direkt gegenüber dem Park gesperrt. Es gibt ein „Sink-Hole“ Problem an der Stelle, wo frühere Montessori Delegationen immer einen Heidenspaß hatten. Der Untergrund ist brüchig – bei Feuchtigkeit werden die Salzkristalle, die den Boden zusammenhalten, ausgewaschen und wenn man Pech hat, sinkt man einige Meter in so einem Loch in die Tiefe.

Mahdi, der uns auch dieses Mal chauffiert, hat aber schon das Telefon in der Hand. Er ruft seinen Cousin an, dessen angeheirateter Schwager jemanden kennt, dessen Großmutter den Besitzer eines „Dead Sea Spa“ (einer Badestelle mit Restaurant) kennt. Dessen Bruder sitze dort im Kassenhäuschen, verkündet er, und er gibt uns einen „special price“ (na klar!), denn 55 Schekel pro Person (ca. 12 Euro) erscheinen der Reiseleitung für 90 Minuten Badezeit doch etwas reichlich. So geben wir uns als palästinensische Reisegruppe aus, denn die würden nur 30 Schekel pro Person zahlen, erklärt Mahdi. Als Palästinenser mit 8 sommerlich gekleideten blonden Damen gelangen wir beinahe unerkannt an den Badestrand. Lieber treuer Leser dieses Blogs, du darfst den Begriff „Strand“ hier nicht so verstehen, wie du es vielleicht von anderen mediterranen Urlaubszielen her gewohnt bist. Hier in Palästina beginnt der Orient. Und das Tote Meer ist nicht das Mittelmeer. Hier besteht der Strand aus einem großen schwarzen Schlammloch, in dem unsere Jungs erstmal versinken, als sie versuchen, sich ins Wasser zu begeben. 20 Meter vom Ufer entfernt geht’s dann besser. Das Meer (,das ja gar keins ist,) trägt den Schwimmer von allein. Gehört hat man ja davon, aber hier sei es allen Freunden dieses Blogs noch einmal bestätigt. Es funktioniert.

Inzwischen haben sich auch unsere Damen umgezogen und greifen ins Geschehen ein, sehr zur Freude einiger orientalischer Männer, die die schlammwatenden Montessorinnen (darf man sie so nennen?) vergnügt beobachten. Uns egal, so lange sie sie uns nicht abkaufen wollen.

Es entwickelt sich ein fröhliches Plantschen und Paddeln – mit der gebotenen Vorsicht, denn das Wasser reizt die Augen und Schleimhäute. Der BMMG Herren-Fünfer hat inzwischen begonnen, den schwarzen Schlamm kreativ zu verwenden. Marius töpfert sich gekonnt eine Kette mit Kreuz (WP Frau Schlote-Fels?), während Julian und Julius sich das Zeug einfach überall hinklatschen. Es soll ja gut für die Haut sein. Fabian probiert aus, ob sich die Masse auch zur Verbesserung der Haar-Geschmeidigkeit eignet, undsoweiter undsoweiter. Nun, liebe Leserin, lieber Leser, das Ergebnis des Bades hast du ja bereits zu Beginn des Blogs gesehen. Die Reiseleitung findet, dass die außerplanmäßige Ausgabe von 30 Schekel pro Person gut angelegt war. Mit kleinen Blessuren – Salzkristalle sind messerscharf – geht es zurück in die Stadt auf dem Berg. Morgen ist Abflug, da gilt es jetzt, die letzten Geschenke einzukaufen, nochmal eine Portion Hummus with Meat einzuwerfen oder einfach nur die Koffer zu packen.

Das war's.

07März2016

 

Der Felsendom und der Tempelberg fehlen uns noch in unserer „Must-see“ Sammlung. Da beides nur während der muslimischen gebetsfreien Zeit zugänglich ist, greifen wir heute am Abreisetag zu extremen Maßnahmen. Wir stehen noch früher auf, als sonst – allerdings nicht so früh wie der Muezzin. Er hat es auch heute mal wieder um 4.15 Uhr geschafft. Schon um kurz vor halb acht sind die Koffer verladen und Mahdi fährt uns zum Dung Gate, was uns die Treppen spart.

Die Warteschlange vor der Sicherheitskontrolle ist sehr überschaubar; die Kontrolle geht schnell, weil wir alle Rucksäcke im Bus gelassen haben. 

Über die Holzbrücke gelangen wir auf den Tempelberg, wo wir noch einmal kleidertechnisch begutachtet werden, bevor wir endlich drauf dürfen. Jetzt sind wir ja vorgewarnt und haben allerlei Tücher und Jacken dabei, trotz der jetzt schon sommerlichen Temperaturen. Unsere Verkleidung erinnert zum Teil an die Hippies der 60er Jahre, aber daran haben wir uns inzwischen gewöhnt.

Der Tempelberg selbst ist ziemlich unspektakulär. Nach ein paar erklärenden Worten unter Aufsicht unserer Expertin Lucie erkunden wir das Äußere des Felsendoms und der Al Aqsa Moschee. Ein freundlicher Araber drückt uns den Koran auf Englisch in die Hand („take one, it’s free“), damit wir Allahs Worte der Weisheit auch mit nach Hause nehmen können. „Schau mal hinten im Register unter ‚W‘ wie ‚women’s rights‘“ … „Hmmm. Kein Eintrag.“ Das Buch wandert in die Tasche. Gleich müssen wir nochmal an der Klagemauer vorbei. Da sollte man nicht zu offensiv mit dem Koran über den Platz laufen.

Schließlich verlassen wir den Tempelberg und begeben uns zur Bushaltestelle, wo uns Mahdi pünktlich einsammelt und uns zum Ben-Gurion Flughafen kutschiert. Wir sind etwas früh, aber wegen der Kontrollen dort schadet das nicht. Wer weiß, ob Fabian nicht noch wegen seiner 6 Kilo Schlamm vom Toten Meer zum Kreuzverhör muss. Die Kontrollen sind zwar etwas strenger, aber insgesamt halb so wild, und so findet sich unsere Reisegruppe pünktlich in der Abflughalle wieder – fast dort, wo vor 12 Tagen alles begann. Unpünktlich dagegen ist unser Fluggerät. Fast zwei Stunden extra beschert uns die Tatsache, dass es in Düsseldorf feste geschneit (!)hatte. Erst einmal musste die Startbahn geräumt werden. Umso mehr bleibt Zeit, die letzten Schekel in Verpflegung zu verwandeln. Das fällt nicht allzu schwer, denn die Abflughalle gleicht einer großen Mall mit Food Court.

Die vier Stunden in der Luft vergehen wie im Flug (kleiner Scherz) – sogar die Koffer haben den Transport am Ende überlebt und laufen pünktlich vom Band. Jetzt sind die Mitglieder unserer Reisegruppe doch froh, ihre Lieben wiederzusehen – trotz der unverschämt niedrigen Temperaturen in Düsseldorf.

Hier endet der Blog. Vorläufig. Allen Beteiligten ein großes Dankeschön. Vielen Dank auch, liebe Reisegruppe, dass die Fotos von euch hier erscheinen durften. Die meisten haben es durch die strenge Zensur seitens der Abgebildeten geschafft. Dank auch an die Leser, die mit weit über 1000 Zugriffen, zum Teil über 100 pro Tag, ihr Interesse bekundet haben. Liebe Leserin, lieber Leser, du hast es sicher bemerkt: Israel ist nicht das, was bei uns in den Medien ankommt. Wenn diese Botschaft angekommen ist, dann hat sich der Aufwand auch gelohnt.

Der Blog wird nach den Sommerferien fortgeführt. Dann bekommen wir Besuch aus Haifa.

Der Bericht ...

22März2016

... für die Bezirksregierung, die dankenswerterweise unsere Fahrt unterstützt hat, ist jetzt hier zu lesen. Er erscheint ungefähr so auch in den Montessori Mitteilungen. Dies ist eine Vorab-Version.

Sachbericht

für den Verwendungsnachweis der Zuschüsse der Bezirksregierung

Wenn man Jugendlichen schwierige sozialpolitische und historische Themen näher bringen möchte, dann kommt es zunächst darauf an, die richtige Arbeitsatmosphäre zu schaffen, zumal wenn man als Gruppe agieren möchte. Möglichst konkret soll der Einstieg sein, möglichst anschaulich, nicht zu akademisch – der Lernort angenehm und einladend; das Arbeitsmaterial, die historischen Quellen ansprechend und interessant – eine im besten Sinne „vorbereitete Umgebung“ im Sinne Maria Montessoris.

Welcher Ort ist da besser geeignet, als der Originalschauplatz, wenn er sich denn erreichen, wenn es sich einrichten lässt? Für 20 Schülerinnen und Schüler der 11. Jahrgangsstufe bot sich Ende Februar die Gelegenheit, eine der interessantesten Regionen der Welt quasi hautnah zu erleben. Zum fünften Mal in sechs Jahren bereiste eine Schülergruppe der Bischöflichen Maria-Montessori-Gesamtschule das Heilige Land und führte so den erfolgreichen Schüleraustausch mit der Reali School in Haifa fort.

Die Umgebung war mehr als vorbereitet, als wir am 25. Februar mittags in Tel Aviv aus dem Airbus stiegen. Morgens in Düsseldorf musste das Fluggerät noch vom Eis befreit werden – mittags in Tel Aviv empfing uns der Frühling mit blühenden Bäumen und einem 20 Grad lauen Wind.

Nachmittags in Jaffa, im historischen Kern von Tel Aviv, wurden wir Zeuge der Gegensätze, die diesen Ort ausmachen: Die moderne, westlich geprägte Metropole des neuen Tel Aviv mit ihren glitzernden Fassaden und breiten Straßen schließt sich unmittelbar an Jaffas Gäßchen und Treppen an, die in typisch orientalischer Architektur bis an den uralten Hafen und bis zum Strand reichen. Kirchen stehen neben Moscheen – dazwischen eine Synagoge: Das sind die Kontraste, die dieses Land so anregend machen. Der Falafel-Shwarma-Verkäufer spricht englisch, hebräisch und arabisch, als er uns die erste Mahlzeit unseres Aufenthaltes serviert. Er hat alle Köstlichkeiten der mediterranen und orientalischen Küche im Angebot.

Auf unserer Reise erlebten wir ein wenig von der großen Vielfalt, die Israel zu bieten hat. Reichtum und Armut, islamische, christliche und jüdische Traditionen in den Gastfamilien, Pfadfinder und Militär, Moscheen, Synagogen, Schabat, Muezzin, Familienfeiern und wilde Partys am Strand und anderswo.

Dass Kontraste auch Konflikte auslösen können, hatten unsere 16 und 17jährigen Schülerinnen und Schüler spätestens nach einigen vorbereitenden Gruppentreffen zu den Themen Nahostkonflikt und Deutsch-Jüdische Beziehungen verstanden. Die meisten  Teilnehmerinnen und Teilnehmer kannten das Thema aus dem Unterricht (ein wenig) und aus den  Medien (schwerpunktmäßig) und hatten entsprechende Vorstellungen entwickelt. Im Verlauf der Reise wuchs dann die Erkenntnis: Hinfahren und sich selbst ein Bild machen, mit Menschen ins Gespräch kommen, Kontakte und Freundschaften aufbauen und pflegen – das ist allemal besser, als allein den gefilterten Wahrheiten zu vertrauen.

Die gemeinsame deutsch-israelische Vergangenheit war programmgemäß mehrmals Thema während unseres Besuchs. Dass Haifa, die Heimat unserer Gastschüler, von deutschen Siedlern im 19. Jahrhundert als „German Colony“ gegründet wurde, war schon mäßig interessant. Dass einige unserer Schülerinnen und Schüler von den deutschen Wurzeln ihrer Gastfamilien berichteten führte dann schnell zu der erwarteten Frage – „… und wie denken die heute über den Holocaust?“ – Die Antwort lieferten bei diesem Austausch die „Survivors“ – die Überlebenden des Holocaust, von denen es mehr als 70 Jahre nach Kriegsende  nicht mehr viele gibt. Wir hatten überraschenderweise die Ehre, zwei von ihnen kennen zu lernen.

Yehuda Lahav, Lehrer an der Reali School und auf israelischer Seite seit zwei Jahren verantwortlich für den deutsch-israelischen Schüleraustausch, stellte uns David Klein aus Los Angeles vor, einen fast 90jährigen ungarisch-jüdischen Kunsthändler, der als Jugendlicher zunächst in Auschwitz-Birkenau interniert war und später nach mehreren „Todesmärschen“ im Lager Buchenwald das Kriegsende erlebte. Über zwei Stunden berichtete der Survivor detailliert und intensiv, wie es ihm ergangen war – und wie er nur durch mehrere Zufälle überhaupt überlebt hat.

In der nationalen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem trafen wir im Anschluss an den Rundgang durch den Innenbereich die Überlebende Hannah Pick-Goslar. Man möchte die Begegnung mit David Klein in ihrer Intensität und Wirkung im Vergleich nur ungern herabsetzen wollen, aber was uns die 87jährige, unglaublich präsente Frau Pick-Goslar über zwei Stunden berichtete, berührte unsere Reisegruppe so sehr, dass wir die Veranstaltung spontan verlängern mussten, um alle Reaktionen, Fragen und Emotionen angemessen zu berücksichtigen. Das lag nicht zuletzt daran, dass einigen Zuhörern der Namen der Referentin bekannt vorkam. Spätestens als sie sagte, sie sei zusammen mit Anne Frank in Amsterdam aufgewachsen, konnten unsere Schülerinnen und Schüler sie zuordnen. Ihr Augenzeugenbericht von ihrem ersten Kontakt zu Anne in Amsterdam bis hin zur letzten Begegnung kurz vor Annes Tod im Konzentrationslager Bergen-Belsen wird der Reisegruppe unvergesslich bleiben.

Das Thema „Verfolgung während des Nationalsozialismus“ wird auch fortgeführt werden, wenn wir die israelischen Schülerinnen und Schüler im Herbst 2016 in Krefeld begrüßen. Angefragt ist bereits eine Veranstaltung in Krefelds Gedenkstätte Villa Merländer, ein Stadtrundgang zum Thema jüdisches Leben in Krefeld und ein Besuch in der jüdischen Gemeinde. Im Anschluss reisen deutsche und israelische Schülerinnen und Schüler gemeinsam nach Weimar/Buchenwald und Berlin. An beiden Standorten werden wir das Thema vertiefen.

Obwohl einige Gastfamilien wohl Verwandte und Mitglieder haben, die unmittelbar von der Verfolgung durch die Nationalsozialisten betroffen waren und sind, spielte diese Tatsache für die Atmosphäre des Austauschs gottlob keine Rolle. Israelische Jugendliche, so erfuhren wir, sind in diesem Alter fast genauso unpolitisch wie ihre deutschen Partner. Die Vergangenheit ist eben nur eine Facette in ihrem Leben – die Gegenwart und die Zukunft sind ihnen naturgemäß mindestens ebenso wichtig.

Zwei weitere Facetten der israelischen Gesellschaft waren ebenfalls Teil des Austauschprogramms: Der Kibbuz und das Militär. In Haifa waren wir zu Gast im Kibbuz Yagur, einem der letzten und auch größten Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft dieser Art, die noch nach klassischem sozialistischem Muster organisiert ist. Hier wird noch Vieles geteilt – das Essen, die Einnahmen und die Autos zum Beispiel. Klassische Landwirtschaft mit Landarbeitern, die die Felder bestellen, sieht man dort dagegen kaum noch. Die Schülerinnen und Schüler waren überrascht über die High-tech Anlagen, die den klassischen Farmer praktisch überflüssig machen. Bewässern? Automatisch. Hühner füttern? Natürlich per Computer. Wer soll denn auch über 100.000 Masthühner per Hand versorgen? Kibbuze sind heute moderne Wirtschaftsunternehmen, die in Israel im globalen Wettbewerb zunehmend unter Druck geraten. Am See Genezareth besuchten wir ein paar Tage später den Kibbuz Ma’agan, dessen Nutzfläche vor Jahren in ein Ferienresort am Ufer des Sees umgewandelt worden ist. Strandbad, Pool, Restaurants und Ferienvillen bestimmen hier das Bild und sorgen für das Einkommen – auch von deutschen Touristen, die 2015 die drittstärkste Gruppe nach Israel und Großbritannien stellte.

In der „Military Boarding School“, dem Militär-Internat, das direkt neben der Reali School liegt, trafen wir zwei Kadetten, die uns Einblick in ihre Ausbildung zur militärischen Führungskraft gaben. Für unsere Schülerinnen und Schüler befremdlich war, dass das Militär im Leben junger israelischer Männer und Frauen einen breiten Raum einnimmt. Schon am ersten Wochenende war eine Montessori-Schülerin mit ihrer Gastgeberin bei den „Scouts“. Sie berichtete von Vorbereitungen für ein Pfadfinder-Zeltlager für 12Jährige in der Wüste Negev, das mehr an ein Survival Training erinnerte. Ebenfalls am Wochenende trafen sich deutsche und israelische Schüler zum gemeinsamen Paintball-Wettbewerb – einem in Israel sehr belieben „Sport“, bei dem sich die Teilnehmer mit Farbkugel-Munition beschießen. Gewisses Verständnis für die Omnipräsenz von Uniformen in Israel kam auf, als wir in einer kleinen informellen Feedback-Runde auf die permanente Bedrohung zu sprechen kamen, die nicht nur von Israels Nachbarstaaten (Libanon, Syrien, Ägypten) und dem gesamten Nahen Osten, sondern auch von radikalen Gruppen im eigenen Land ausgeht. Sicherheit wird also ganz groß geschrieben – das bemerkten wir nicht nur in Jerusalem, dem Zentrum des Glaubens dreier Weltreligionen.

Für uns ging es rund um Jerusalem wie auch schon vorher in Galiläa schwerpunktmäßig darum, die Orte christlichen Glaubens aufzusuchen. Hier konnten wir das Neue Testament als Reiseführer benutzen. Ob in Tabgha in der Brotvermehrungskirche und, in Kafarnaum in der Kirche über dem Haus des Simon Petrus oder auf dem Berg der Seligpreisungen, dem Ort der Bergpredigt – wenn man sich die Touristenströme wegdenkt, kann man überall die Atmosphäre nachvollziehen, in der Jesus hier gewirkt hat. Auch wenn (besonders in Jerusalem) nachweislich nicht alle Stellen authentisch sind, atmet die Stadt Religiosität. Da stört es kaum, dass der Abendmahlssaal und der Sterbeort Marias in der Dormition-Abtei eher symbolischen Charakter haben – ebenso wie der Verlauf des Kreuzwegs auf der Via Dolorosa. „Echt“ dagegen sind die Grabeskirche und Golgatha, der Garten von Gethsemane und der steinerne Sarg von König David. nach unserem Besuch in der Heiligen Stadt ist Bibel-Lesen wieder „angesagt“ bei einigen Reiseteilnehmerinnen – auch ein schönes Ergebnis unserer Reise.

Dies sind nur einige der Erfolge und Auswirkungen, die unser Besuch in Israel hervorgebracht hat. Wir hoffen auf weitere positive Ergebnisse im Herbst, wenn der Gegenbesuch erfolgt. Weitere Erlebnisse und Einsichten der Reise findet der geneigte Leser in unserem Reiseblog unter

http://bmmgisrael2016.auslandsblog.de mit über 400 Fotos.

Michael Hamke, 03/2016